Lullus

Lullus
I
Lụllus,
 
angelsächsischer Missionar, * Wessex um 710, ✝ Hersfeld (heute Bad Hersfeld) (?) 16. 10. 786; lernte auf einer Wallfahrt in Rom (738) Bonifatius kennen und wurde dessen engster Mitarbeiter in Deutschland; wurde Benediktiner in Fritzlar und empfing 752 die Bischofsweihe; 754 als Bonifatius' Nachfolger Bischof von Mainz. Unter seiner Leitung erfolgten die Vergrößerung des Bistums (Angliederung von Erfurt) und der Ausbau der Organisation. Zwischen 780 und 782 ernannte Papst Hadrian I. ihn zum ersten Erzbischof von Mainz. - Heiliger (Tag: 16. 10.).
 
II
Lụllus,
 
Raimundus, katalanisch Ramon Llull [ʎuʎ], spanisch Ramón Lụll, katalanischer Schriftsteller, Philosoph und Missionar, * Palma (Mallorca) 1232 oder 1233, ✝ auf der Fahrt von Tunis nach Mallorca 1316. Wiederholte Visionen des gekreuzigten Christus veranlassten ihn, sein Leben in den Dienst missionarischer Tätigkeit zu stellen. Er reiste quer durch Europa, nach Nordafrika, Kleinasien und Zypern. Zwischen 1283 und 1313 lehrte Lullus mit Unterbrechungen in Paris und Montpellier. Von seinen Werken sind mehr als 250 (meist sowohl in katalanischer als auch lateinischer Sprache geschrieben) erhalten sowie 77 ihm zugeschriebene apokryphe Schriften mit mystischen und alchimistischen Inhalten.
 
Lullus' auf den christlichen Platonismus gestützte Philosophie wendet sich gegen den Rationalismus des Ibn Ruschd sowie eine dualistische Entgegensetzung von Glauben und Wissen. Sie gründet auf der Überzeugung, dass die Glaubensinhalte wie das gesamte Wissen aus der Vernunft beweisbar seien. Dafür entwickelte er als Universalwissenschaft die Ars combinatoria, eine logische Methode, aus absoluten Prinzipien (Lullus nennt meist neun »dignitates«: bonitas, magnitudo, aeternitas; potentia, sapientia, voluntas; virtus, veritas, gloria) durch Begriffskombinationen alle möglichen Begriffe herleiten zu können. Kennzeichnend für das System ist eine triadische Struktur, die sich in allem Seienden und auch im Syllogismus wieder finde.
 
Lullus hat mit der erstmaligen schriftstellerischen Verwendung der Volkssprache (noch vor Dante) die katalanische Literatursprache geschaffen. Die umfangreichste Schrift ist das mystisch-theologische »Llibre de contemplació en Déu« (entstanden um 1272, erschienen lateinisch 1742). In der »Ars compendiosa inveniendi veritatem« (entstanden 1273-75) legte er seine dann in mehreren Schriften (v. a. »Ars magna et ultima«, entstanden vor 1277, erschienen 1480) weiterentwickelte logische Kombinatorik dar. »L'arbre de ciència« (entstanden um 1295/96, erschienen lateinisch 1482) gliedert die Wissenschaften in ein System, wobei Lullus sich der Allegorie des Baumes bedient. Lullus schrieb auch Erzählwerke und Gedichte sowie den Erziehungsroman »Blanquerna« (entstanden 1283-86, erschienen lateinisch 1505), darin eingefügt das »Llibre d'Amic e Amat« (deutsch »Das Buch vom Liebenden und Geliebten«), ein mystisches Zwiegespräch zwischen Mensch und Gott, in dem eine dialektische Liebesphilosophie dargestellt wird.
 
Lullus, zu seinen Lebzeiten umstritten (von den Antilullisten als Häretiker abgelehnt), beeinflusste nachhaltig Nikolaus von Kues, später Giordano Bruno und fand Anhänger im Lullismus bis ins 18. Jahrhundert Lullus' Kombinatorik, die G. W. Leibniz v. a. in seiner »Dissertatio de arte combinatoria« (1676) aufgegriffen hat, enthält die ersten Ansätze eines Logikkalküls.
 
Ausgaben: Opera, herausgegeben von I. Salzinger, 8 Bände (1721-42, Nachdruck 1965); Opuscula, 3 Bände (1744-46; Nachdruck 1971-73, herausgegeben von E.-W. Platzeck); Obres, herausgegeben von M. Obrador y Bennassar u. a., 21 Bände (1906-50); Opera latina, herausgegeben von F. Stegmüller und anderen, auf zahlreiche Bände berechnet (1959 folgende); Die neue Logik. Lateinisch-deutsch, herausgegeben von C. Lohr (1985).
 
 
E. A. Peers: Ramón Lull. A biography (London 1929, Nachdr. New York 1969);
 J. Carreras y Artau: De Ramón Lull a los modernos ensayos de formación de la lengua universal (Barcelona 1946);
 
Das Leben des seligen Raimund Lull, hg. v. E. W. Platzeck (1964);
 E. W. Platzeck: Miscellanea lulliana: Forschungen der letzten fünfzehn Jahre zum Leben u. zur Deutung der Lehren Raimund Lulls, in: Autonianum, Jg. 45 (Rom 1970);
 R. Brummer: Bibliographia Lulliana. Ramon-Llull-Schrifttum 1870-1973 (1976);
 M. Cruz Hernández: El pensamiento de Ramón Lull (Madrid 1977);
 S. Garcías Palou: Ramón Llull y el Islam (Palma de Mallorca 1981);
 M. D. Johnston: The spiritual logic of Ramon Llull (Oxford 1987);
 
R. L. Zum Dialog der Religionen im MA., Beitrr. v. C. Lohr u. a. (1995).
 

Universal-Lexikon. 2012.

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